Dr. Wolfgang Stegemann
Dr. Wolfgang Stegemann

Bewusstsein und Unterbewusstsein – Eine funktionale Unterscheidung im Lichte des kausalen Kollapses

1. Einleitung: Begriffsverwirrung und Neuansatz

 

Der psychologische Begriff des Bewusstseins ist historisch vielschichtig und terminologisch oft unscharf. Er bezeichnet mal das wache Erleben, mal die Aufmerksamkeit, mal das Ich. Auch der Begriff des Unterbewusstseins ist nicht minder vage und wird je nach theoretischem Hintergrund unterschiedlich gefüllt – von Freuds dynamischem Unbewussten bis hin zu automatisierten Verhaltensschemata in der Kognitionspsychologie. Diese Mehrdeutigkeit erschwert eine systematische Analyse. Im Folgenden wird deshalb ein alternativer Vorschlag unterbreitet: die funktionale Differenzierung dieser Begriffe aus Sicht des kausalen Kollapses (Stegemann 2025).

 

Der Begriff „kausaler Kollaps“ bezeichnet nicht einen realphysikalischen Zusammenbruch, sondern eine topologische Umstrukturierung im inneren Kausalgefüge eines rekursiven Systems. Er ist inspiriert von Konzepten der Systemtheorie, Attraktordynamik und Informationsintegration, unterscheidet sich jedoch durch seinen nicht-reduktionistischen Fokus:

 

Der Kollaps bezeichnet den Übergang von kausal separierbaren Teilprozessen zu einer untrennbar verschränkten Dynamik, in der Ursachen nicht mehr auf isolierte Systemkomponenten zurückführbar sind. Dies ist kein analoges Konzept zur Quantenkollaps-Theorie, sondern ein epistemisch-funktionales Strukturmerkmal komplexer Selbstorganisation

 

2. Das dynamische System Σ

 

Σ bezieht sich auf das funktionale Gesamtsystem der neuronalen Aktivität, verstanden als rekursiv verschalteter Zustand im Gehirn. Es umfasst:
• alle rekursiven Wechselwirkungen innerhalb des Gehirns,
• alle zentralen (nicht peripheren) Zustände, die systemisch integriert werden können (z.B. affektive, kognitive, exekutive Prozesse),
• die neuronale Repräsentation externer Reize, sofern sie in diese rekursive Dynamik eingespeist werden.

 

3. Drei funktionale Modi in Σ

 

Im Rahmen des Kollapsmodells ist Σ der Raum, in dem kausale Verläufe organisiert, verschränkt oder kollabiert werden können. Bewusstsein ist dabei kein Speicher, sondern ein funktionaler Zustand, der in Σ unter bestimmten Bedingungen emergiert.

Innerhalb von Σ lassen sich drei Modi funktionaler Organisation unterscheiden, die keine Subsysteme, sondern dynamische Zustandsformen beschreiben:

Funktionaler Modus

Beschreibung

Kausaldynamik

Bewusstsein

Zustand maximaler Integration. Multiple Prozesse kollabieren zu kohärenter Einheit.

Rekursive Verschränkung – simultane Koaktivierung verteilter Prozesse, untrennbare Kausalität

Unterbewusstsein

Modularer Aktivitätszustand unterhalb der Integrationsschwelle.

Segmentierte Kausalität – reaktiv, linear, teilweise automatisiert

Gedächtnis

Reaktivierbare Zustände vergangener Aktivität.

Potenzielle Kausalität – gespeicherte Zustände, die in eingebunden werden können

 

Der Begriff rekursive Verschränkung beschreibt keine metaphorische Überlagerung, sondern eine empirisch beobachtbare Konvergenz rekursiv aktivierter Netzwerke im Gehirn. Besonders in bewussten Zuständen zeigt sich eine erhöhte Gamma-Band-Synchronisation (30–100 Hz) über verschiedene kortikale Areale hinweg. Diese langreichweitige Kohärenz gilt als funktioneller Marker für bewusste Integration (Engel & Singer, 2001; Melloni et al., 2007). Sie verweist darauf, dass Bewusstheit mit einem Zustand korreliert, in dem weit verteilte Informationen simultan in ein dynamisches Netzwerk eingebunden sind.

4. Gedächtnisdynamik: Zwischen Speicherung und Bewusstheit

 

Das Gedächtnis ist kein abgeschlossener Speicherort, sondern ein dynamischer Bereich innerhalb und außerhalb Σ, dessen Inhalte potenziell aktiviert werden können. Dabei unterscheiden wir:

  • Kurzzeitgedächtnis: Temporäre Aktivierungsmuster innerhalb von Σ. Sie können bewusst oder unbewusst bleiben. Der Übergang ins Bewusstsein erfolgt durch rekursive Kopplung, d.h. wenn ein Aktivitätsmuster  in Σ Teil eines übergreifenden Kollapseffekts wird. Der Kurzzeitspeicher ist demnach kein passiver Puffer, sondern eine labile Phase funktionaler Einbindung.
    Die klassische Trennung von sensorischem, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis wurde u. a. durch die Arbeiten von Baddeley und Hitch (1974) operationalisiert, die das Arbeitsgedächtnis als aktive Kontrollinstanz beschreiben, in der Informationen kurzfristig aufrechterhalten und manipuliert werden. Neuere Bildgebungsstudien zeigen, dass dabei präfrontale Netzwerke temporär Inhalte aktivieren, ohne dass sie dauerhaft gespeichert sind (vgl. D'Esposito & Postle, 2015).

     
  • Langzeitgedächtnis: Strukturelle Spuren außerhalb der gegenwärtigen Kausalkette. Sie werden erst durch externe Reize (bottom-up) oder intentionalen Abruf (top-down) wieder in die Dynamik von Σ eingespeist. Diese Einspeisung verändert Σ selbst, indem sie frühere Zustände kausal rückwirken lässt auf Σ.
    Die Konsolidierung erfolgt über hippocampale Netzwerke, die im Schlaf oder durch wiederholten Abruf Gedächtnisspuren stabilisieren (vgl. Squire & Alvarez, 1995). Entscheidend ist, dass Reaktivierung keine einfache Rückkehr von Information darstellt, sondern eine rekonstruierende Integration – im Einklang mit der kollapsbasierten Perspektive.

Erinnern ist somit kein einfaches Abrufen, sondern ein temporärer Kollapszustand, in dem frühere Zustände mit aktueller Dynamik kausal verbunden werden. Vergessen bedeutet entsprechend: Der Speicherinhalt bleibt strukturell vorhanden, aber kausal entkoppelt – er verliert den Anschluss an das operative Feld von Σ.

 

Die Idee der kausalen Entkopplung beim Vergessen korrespondiert mit neurobiologischen Prozessen wie der Langzeitdepression (LTD) – einem aktiven Mechanismus, der die synaptische Effizienz senkt. Auch das Default Mode Network (DMN), das bei selbstbezogener Erinnerung aktiv ist, zeigt in Zuständen wie Demenz oder Depression gestörte Konnektivität, die als Indikator für funktionale Entkopplung gewertet werden kann (Andrews-Hanna et al., 2014). Diese Daten stützen die Annahme, dass Gedächtnisinhalte bewusst nur werden können, wenn sie in die rekursive Dynamik von Σ eingebunden sind.

 

Diese Sichtweise ersetzt die traditionelle Trennung von Speichern und Zugriff durch ein dynamisches Modell: Erinnerung ist ein Systemzustand, der sowohl auf Aktivierung als auch auf Integration beruht. Bewusstsein entsteht also nicht durch Abruf, sondern durch funktionale Einschmelzung vergangener Inhalte in eine aktuelle, kollabierte Konfiguration.

 

5. Übergänge: Vom Unterbewussten zum Bewussten

 

Ein unterbewusster Prozess kann durch äußere Reize (exogene Modulation) oder durch Zielzustände (endogene Modulation) an die Kollapsschwelle herangeführt werden. Wird diese überschritten, wird der Prozess:

  • funktional in Σ integriert,
  • rekursiv rückgekoppelt,
  • phänomenal bewusst.

Klassische Priming-Studien (z. B. Marcel, 1983; Dehaene et al., 1998) zeigen, dass nicht-bewusst wahrgenommene Reize Verhaltensreaktionen beeinflussen können. Das stützt die Idee eines „prä-kollapsaren“ Modus.

 

Der Übergang ist ein Phasenübergang in der Systemtopologie von Σ, vergleichbar mit einem Attraktorwechsel. Dabei kann der Schwellenwert nicht als fixer Punkt verstanden werden, sondern als kontextabhängiger Bereich im Zustandsraum von Σ, der durch emotionale, motivationale oder kognitive Faktoren moduliert wird.

 

Der Übergang in den bewussten Zustand lässt sich auch analog zu Phasenübergängen in physikalischen Systemen verstehen: Wie beim Wechsel eines Aggregatzustands kann eine geringe zusätzliche Kopplung innerhalb von Σ ausreichen, um einen qualitativen Funktionssprung auszulösen – etwa vom segmentierten Aktivitätsmodus zur global rekursiven Integration. Der Kollaps ist somit das Resultat eines nichtlinearen Systemverhaltens, das sich als dynamische Schwellenüberschreitung manifestiert (Kelso, 1995).

 

Die Kollaps-Schwelle ist kein fixer Wert, sondern ein systemischer Schwellenbereich. Sie ergibt sich aus der Dichte rekursiver Rückkopplungen, der Synchronisation verteilter Aktivitätsmuster sowie der Wechselwirkung interner Reize mit exogenen Triggern. Operationalisierbar ist sie über neurophysiologische Marker wie:

  • hohe funktionale Konnektivität (fMRI, EEG-Kohärenz),
  • transiente Aktivitätskonvergenz (präfrontal, parietal, temporo-integrativ),
  • Abnahme der Entropie (z. B. Lempel-Ziv-Komplexität).
    In diesem Modell ist die Bewusstwerdung nicht auf bestimmte Module, sondern auf die Erfüllung rekursiver Systembedingungen zurückzuführen.

Übergänge sind also keine Bewegung von Inhalten durch Räume, sondern topologische Umstrukturierungen, bei denen sich Segmentierung in rekursive Kohärenz verwandelt. Bewusstsein ist in diesem Sinne das Ergebnis einer veränderten kausalen Architektur – nicht einer bloßen Verstärkung oder eines "Zugriffs" auf innere Inhalte.

 

Untersuchungen von Libet (1983) sowie späterer EEG- und fMRI-Daten (z. B. Haynes et al., 2007) legen nahe, dass bewusste Entscheidungen oder Wahrnehmungen zeitlich versetzt zu vorangehenden unbewussten Aktivierungen auftreten.

Das passt zur Idee, dass Bewusstsein einen integrativen Kollaps von zuvor segmentierten Prozessen darstellt.

 

Ein bekanntes Beispiel ist der "plötzliche Einfall" (Eureka-Moment): Ein bislang unbewusst wirksamer Zusammenhang (etwa beim Lösen eines Problems) kollabiert innerhalb eines Moments in eine bewusste Einsicht. Dies lässt sich als spontane, rekursive Integration von vormals fragmentierten Aktivitätsmustern deuten. Ebenso können intensive Gefühle (z.B. Angst) die Schwelle zur Bewusstheit überschreiten, obwohl sie zuvor nur implizit körperlich spürbar waren.

 

Die Amygdala kann auf bedrohliche Reize reagieren, ohne bewusste Wahrnehmung (z. B. Morris et al., 1999). Die bewusste Erfahrung entsteht erst bei Integration in kortikale Rückkopplungssysteme – genau die Art von Kollapseffekt, die Σ beschreibt.

 

Die bewusste Erfahrung ist im Kollapsmodell kein „Output“, sondern die Innenansicht eines Zustands maximaler Kausalverschmelzung. Sie entsteht dort, wo rekursive Verschaltung keine externen Trennungen mehr erlaubt, sondern alle kausalen Linien immanent miteinander verkoppelt sind. Das unterscheidet Bewusstsein von unbewusster Verarbeitung, in der Segmentierung und Modulaustausch möglich bleiben. Die phänomenale Qualität entsteht also nicht durch Inhalte, sondern durch den kausalen Zugang des Systems zu sich selbst – eine Art integrative Resonanz, die keine externe Referenz mehr benötigt.

 

6. Modellgrafik (vereinfacht):

Die Modellgrafik stellt eine hierarchische Anordnung funktionaler Zustände innerhalb des Systems Σ dar – bezogen auf den Übergang zwischen Gedächtnis, Unterbewusstsein und Bewusstsein.

 

Langzeitgedächtnis

(potenzielle Aktivierung)

Kurzzeitgedächtnis

------------   Kollaps-Schwelle   -------------

Bewusstes Feld

(Kollaps)

Unterbewusstes

 

 

Langzeitgedächtnis:
Inhalte sind strukturell vorhanden, aber nicht aktiv im System Σ. Sie können durch potenzielle Aktivierung (Abruf oder Reize) reaktiviert werden.

 

Kurzzeitgedächtnis:
Hier befinden sich Inhalte, die temporär aktiv sind – sie können entweder unterhalb oder oberhalb der Schwelle zur Bewusstheit verlaufen.

 

Kollaps-Schwelle:
Eine funktionale Grenze: Nur wenn ein Inhalt rekursiv rückgekoppelt und in ein integratives Aktivitätsmuster eingebunden ist, kollabiert er in den Bewusstseinszustand. Dies ist kein fixer Punkt, sondern ein dynamisches Systemkriterium.

 

Bewusstes Feld (Kollaps):
Der Zustand maximaler Integration innerhalb von Σ. Inhalte in diesem Bereich sind phänomenal bewusst, weil sie in Σ Teil eines rekursiven, kausal untrennbaren Netzwerks geworden sind.

 

Unterbewusstes:
Aktive, aber nicht integrierte Prozesse. Sie sind z. B. handlungswirksam, aber nicht bewusst erlebbar. Hier findet segmentierte Kausalität statt.

 

Diese Darstellung unterscheidet sich grundlegend von kategorialen oder statischen Schemata psychologischer Theoriebildung. Der Übergang vom Unterbewussten zum Bewussten wird hier nicht als Orts- oder Modulwechsel verstanden, sondern als qualitative Veränderung der kausalen Architektur innerhalb von Σ.

 

Der kausale Kollaps ist kein Schaltpunkt oder Zentrum, sondern ein funktionaler Zustand systemischer Integration, der nur temporär, kontextabhängig und dynamisch innerhalb eines rekursiven Systems entsteht. Im Unterschied zu klassischen Speichermodellen oder statischen Ebenenkonzepten liegt der Fokus hier auf den Übergangsbedingungen, nicht auf festen Kategorien.

 

7. Der medizinische Begriff des Bewusstseins – und seine systemische Korrektur

 

Der medizinische Begriff des Bewusstseins bezieht sich auf die neurophysiologische Minimalbedingung von Wachheit, Reagibilität und Orientierung. Er erfasst damit die grundlegende operationelle Verfügbarkeit von Σ, jedoch ohne Bezug zur strukturellen Organisation der Systemzustände. In der klinischen Praxis dient dieser Begriff der Einschätzung des Bewusstseinsniveaus (z. B. bei Koma, Delir, Vigilanzstörungen), ist aber epistemisch auf die äußerlich beobachtbare Reagibilität und elektrische Aktivitätsmuster beschränkt.

 

Im Rahmen des Kollapsmodells ist dieser Begriff daher als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für Bewusstheit zu verstehen. Er sichert die basale Funktionalität des Systems Σ, macht aber keine Aussage über die qualitative Organisation der kausalen Dynamik innerhalb dieses Systems. Bewusstsein im Sinne eines kohärenten, rekursiven Kollapses kann nur auftreten, wenn innerhalb dieser neurophysiologischen Basis eine topologische Reorganisation erfolgt – die durch medizinische Diagnostik nicht erfasst wird.

Daraus ergibt sich ein entscheidender Perspektivwechsel: Nicht der Zustand des „Wachseins“ konstituiert Bewusstheit, sondern die spezifische Weise, in der Σ in sich selbst rekursiv verschaltet und kausal integriert ist. Die phänomenale Erfahrung setzt somit eine strukturelle Transformation der Systemarchitektur voraus – ein kollabierter Zustand, der sich nur aus systemtheoretischer und nicht allein aus medizinischer Sicht verstehen lässt.

 

Untersuchungen zu minimally conscious state (MCS) versus vegetative state (VS) zeigen, dass Bewusstheit nicht allein anhand äußerer Reagibilität zuverlässig bestimmt werden kann (vgl. Owen et al., 2006). Einige MCS-Patienten zeigen in fMRI-Aufgaben implizit bewusste Verarbeitung, obwohl sie motorisch nicht reagibel sind.
Das belegt, dass Bewusstheit eine systeminterne Integration voraussetzt, die dem medizinischen Begriff entgeht.

 

8. Vergleich mit anderen Theorien

 

Im Unterschied zur Global Workspace Theory (Baars, 1988; Dehaene & Naccache, 2001), die Bewusstsein als Zugang zu einem modularen Arbeitsraum begreift, fokussiert das Kollapsmodell auf die interne Dynamik des Systems selbst: Nicht Zugänglichkeit nach außen, sondern rekursive Selbstvernetzung ist entscheidend.

Gegenüber der Integrated Information Theory (IIT) (Tononi, 2004) betont das Modell weniger die mathematische Integration (PhiΦ) als Maß, sondern die konkrete kausale Struktur innerhalb eines physikalischen Systems: Bewusstsein entsteht nicht durch Informationsdifferenz, sondern durch rekursive Kausalität, die nicht mehr segmentierbar ist.

 

Gemeinsam ist allen Modellen die Idee von Integration – doch das Kollapsmodell versteht Integration nicht als Aggregation, sondern als Kollabieren kausaler Trennbarkeit, was sich systemtopologisch, nicht logisch ergibt.

 

9. Fazit

 

Das Modell des kausalen Kollapses erlaubt eine dynamische und systemisch konsistente Unterscheidung zwischen Bewusstsein, Unterbewusstsein und Gedächtnis.
Im Zentrum steht das Gesamtsystem Σ, das als rekursiv organisiertes Wirkgefüge verstanden wird – es integriert neuronale, körperliche und umweltliche Prozesse zu einem funktionalen Ganzen.

Bewusstsein entsteht dabei nicht durch die bloße Präsenz bestimmter Inhalte, sondern durch deren kausale Integration: ein Zustand, in dem segmentierte Prozesse rekursiv verschränkt und untrennbar verbunden sind – der Kollaps.

 

Das Unterbewusstsein umfasst demgegenüber funktional aktive, aber nicht integrierte Prozesse, die unterhalb dieser Schwelle operieren.

Das Gedächtnis ist kein statischer Speicher, sondern ein dynamischer Möglichkeitsraum, aus dem Inhalte situativ in Σ eingebunden werden können – bewusst oder unbewusst.

 

Der Unterschied zwischen bewusst und unbewusst ist somit keine ontologische Trennung, sondern eine funktionale Zustandsdifferenz innerhalb eines dynamischen, selbstmodulierenden Systems.

Das Modell ist explizit nicht-reduktionistisch: Es beschreibt Bewusstsein nicht als Eigenschaft eines Substrats, sondern als emergenten Systemzustand, der nur in Bezug auf das Gesamtsystem Σ erklärbar ist. Die phänomenale Erfahrung ist nicht ableitbar aus Einzelkomponenten, sondern ergibt sich aus der Unauftrennbarkeit kausaler Linien – ein Zustand, der weder lokalisiert noch rekonstruiert, sondern nur durch das System selbst realisiert werden kann.

 

10. Literatur

  • Andrews-Hanna, J. R., Smallwood, J., & Spreng, R. N. (2014). The default network and self-generated thought: component processes, dynamic control, and clinical relevance. Annals of the New York Academy of Sciences, 1316(1), 29–52.
  • Baars, B. J. (1988). A cognitive theory of consciousness. Cambridge University Press.
  • Baddeley, A. D., & Hitch, G. (1974). Working Memory. In Psychology of Learning and Motivation (Vol. 8, pp. 47–89).
  • D’Esposito, M., & Postle, B. R. (2015). The cognitive neuroscience of working memory. Annual Review of Psychology, 66, 115–142.
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  • Morris, J. S., Ohman, A., & Dolan, R. J. (1999). A subcortical pathway to the right amygdala mediating "unseen" fear. Proceedings of the National Academy of Sciences, 96(4), 1680–1685.
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  • Owen, A. M., et al. (2006). Detecting awareness in the vegetative state. Science, 313(5792), 1402.
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  • Tononi, G. (2004). An information integration theory of consciousness. BMC Neuroscience, 5(1), 42.