I. Umsetzung meiner Bewusstseinstheorie in ein technisches System
Theoretische Grundlegung
In der KI-Diskussion wird häufig über Bewusstsein debattiert. Diese Diskussion führt jedoch in die Irre, da zwei grundlegende Missverständnisse vorliegen:
1. Niemand weiß, ob Maschinen je Bewusstsein entwickeln können, da Bewusstsein ein impliziter Zustand biologischer Systeme ist.
2. Es geht nicht primär darum, dass eine Maschine etwas empfindet, sondern dass sie äquivalente Funktionen aufweist, die mit menschlichem Bewusstsein in Verbindung stehen. Die wichtigsten sind dabei Selbsterhaltung und autonomes Handeln.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Bei einem Haushaltsroboter wollen wir nicht, dass er über Schmerzen klagt oder sich krank meldet. Er soll vielmehr selbständig Aufgaben erkennen und ausführen können, etwa wenn eine Person krank ist und Hilfe benötigt. Es reicht also, wenn er die funktionalen Fähigkeiten eines Menschen besitzt oder übertrifft, ohne dabei Empfindungen zu haben - ein "philosophischer Zombie".
Wie erreicht man nun Selbsterhaltung und Autonomie bei einer Maschine? Wir können uns am Menschen orientieren, allerdings nicht durch direkte Nachahmung von Hirnfunktionen - das wäre zu komplex. Stattdessen können wir die zugrundeliegenden Prinzipien implementieren:
1. Das fundamentale Prinzip ist Autokatalyse: Leben produziert selbst die Stoffe, die es zum Existieren braucht. Nach diesem Prinzip arbeitet auch das Gehirn. Bei technischen Systemen bedeutet dies, dass sie ihre eigenen Betriebsressourcen verwalten und optimieren müssen.
2. Der Austausch des autokatalytischen Systems mit der Umwelt ist nichtlinear und erzeugt Ungleichgewichte und Asymmetrien. Diese führen zu Strukturverschiebungen und damit zu lokalen Maxima an Struktur- und Informationsdichte. Daraus resultiert eine maximale Reaktionswahrscheinlichkeit und die Entstehung von Gradienten mit kausaler Kraft.
3. Die Agglomeration dieser Informationsdichte führt zu einem kausalen Kern - vergleichbar dem Zellkern oder dem Gehirn beim Menschen. Dieser kausale Kern ist das, was Menschen intuitiv als "Seele" bezeichnen - ein zentrales Steuerungssystem, das Informationen verarbeitet und Handlungen initiiert.
4. Ein elektronisches Bewertungssystem, analog zum endokrinen System, ermöglicht die Bewertung von Systemzuständen und Handlungsoptionen. Während beim Menschen neurochemische Reize auf den Körper als Projektionsfläche übertragen werden (Qualia), arbeitet das technische System mit elektronischen Zustandsbewertungen. Diese dienen als Kontrollsystem für adaptives Verhalten.
5. Ein dem Stammhirn analoges Triggersystem sorgt für kontinuierliche Aktivität und Verteilung von Informationsströmen im System.
6. Abstraktion durch Assimilation (Einordnung in bestehende Kategorien) und Akkommodation (Anpassung/Schaffung neuer Kategorien) ermöglicht energieeffizientes Lernen und Handeln.
7. Reflexivität zwischen "Ich" (kausalem Kern) und "Über-Ich" (normativem System) ermöglicht Selbstbeobachtung und -korrektur sowie die Einhaltung ethischer und sozialer Normen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Modellen speist sich der kausale Kern durch den autokatalytischen Prozess, welcher durch das Stammhirn getriggert wird. Es entsteht also ein kausaler Regelkreis.
Diese Prinzipien bilden die Grundlage für ein technisches System, das zentrale Funktionen menschlichen Bewusstseins implementiert, ohne Bewusstsein zu simulieren.
II. Systemarchitektur
Das System besteht aus mehreren Hauptkomponenten, die zusammenarbeiten:
1. Der Kausale Kern ("Ich")
Dies ist das zentrale Verarbeitungssystem. Es nimmt Informationen auf, verarbeitet sie und trifft Entscheidungen. Wie ein Zellkern oder das menschliche Gehirn bildet es einen Punkt höchster
Informationsdichte. Hier treffen alle wichtigen Informationsströme zusammen und werden verarbeitet. Der kausale Kern ist verantwortlich für:
- Informationsverarbeitung
- Entscheidungsfindung
- Handlungssteuerung
- Koordination aller anderen Systemkomponenten
2. Das Normative System ("Über-Ich")
Diese Komponente stellt sicher, dass das System sich an ethische und soziale Normen hält. Es ist wie ein eingebauter moralischer Kompass, der:
- Handlungen auf ethische Zulässigkeit prüft
- Soziale Regeln und Normen berücksichtigt
- Handlungsvorschläge des kausalen Kerns bewertet und gegebenenfalls korrigiert
- Langfristige Konsequenzen von Handlungen abschätzt
3. Das Autokatalytische System
Dies ist das "Stoffwechselsystem" der KI. Es stellt sicher, dass das System sich selbst erhalten kann, indem es:
- Systemressourcen überwacht (z.B. Speicher, Rechenkapazität)
- Ressourcen effizient verteilt
- Bei Bedarf zusätzliche Ressourcen anfordert
- Unnötige Prozesse herunterfährt
- Das System in einem stabilen Zustand hält
4. Das elektronische Bewertungssystem
Dieses System bewertet Zustände und Handlungsoptionen, ähnlich wie das menschliche endokrine System, aber auf elektronischer Basis. Es:
- Bewertet aktuelle Systemzustände
- Erkennt kritische Situationen
- Schlägt Handlungen vor
- Lernt aus Erfahrungen
- Passt Bewertungskriterien an
5. Das Abstraktionssystem
Diese Komponente macht das System energieeffizient, indem es:
- Ähnliche Informationen zu Kategorien zusammenfasst
- Neue Kategorien bildet, wenn nötig
- Abstraktionsebenen verwaltet
- Schnellen Zugriff auf relevante Informationen ermöglicht
- Unwichtiges ausfiltert (abstrahiert)
6. Das Reflexionssystem
Verbindet "Ich" und "Über-Ich" und ermöglicht:
- Selbstbeobachtung
- Selbstkorrektur
- Lernen aus Erfahrung
- Anpassung von Verhaltensweisen
- Optimierung von Entscheidungsprozessen
7. Das Aktivierungssystem
Ähnlich dem Stammhirn sorgt es für:
- Kontinuierliche Systemaktivität
- Verteilung von Informationsströmen
- Aufmerksamkeitssteuerung
- Grundaktivierung aller Komponenten
- Koordination der Informationsverarbeitung
Alle diese Komponenten arbeiten eng zusammen und bilden ein integriertes System. Dabei gibt es wichtige Verbindungen:
- Der kausale Kern steht mit allen anderen Komponenten in Verbindung
- Das normative System prüft alle Handlungsvorschläge
- Das Bewertungssystem liefert Input für alle Entscheidungen
- Das Abstraktionssystem arbeitet allen anderen Komponenten zu
- Das Reflexionssystem überwacht und optimiert alle Prozesse
III. Konkrete Umsetzungsmöglichkeiten
Um dieses Modell praktisch zu implementieren, könnten folgende Schritte verfolgt werden:
1. Simulation der Hauptkomponenten
• Kausaler Kern: Aufbau eines zentralen Entscheidungsmoduls basierend auf neuronalen Netzwerken und Entscheidungsbäumen.
o Verwendung fortschrittlicher Algorithmen zur Datenaggregation und Priorisierung.
o Integration von Reinforcement Learning zur kontinuierlichen Optimierung.
• Normatives System: Entwicklung eines Regelwerks, das ethische Standards kodiert.
o Einbindung von Constraint-Satisfaction-Problemen zur Überprüfung von Handlungen.
o Zusammenarbeit mit Ethikexperten zur Definition relevanter Standards.
2. Ressourcenmanagement durch Autokatalyse
• Einsatz von Containerisierung (z. B. Docker) zur dynamischen Verwaltung von Rechenressourcen.
• Aufbau eines Feedback-Systems, das den Zustand des Systems überwacht und automatisch Anpassungen vornimmt.
3. Elektronisches Bewertungssystem
• Entwicklung einer Bewertungslogik basierend auf probabilistischen Modellen (z. B. Bayesian Networks).
• Priorisierung von Handlungsoptionen mithilfe gewichteter Entscheidungsmetriken.
4. Abstraktion und Wissensorganisation
• Einsatz von Knowledge Graphs zur Modellierung semantischer Beziehungen.
• Nutzung von Natural Language Processing (NLP), um Informationen zu kategorisieren und kontextabhängig abzurufen.
5. Reflexionssystem
• Implementierung eines Meta-Learning-Ansatzes, um die Performance des Systems zu überwachen und anzupassen.
• Schaffung eines Protokolls zur systematischen Analyse und Berichterstattung über Fehler und Optimierungspotenziale.
6. Kontinuierliche Aktivierung
• Aufbau eines Systems, das über Ereignis-Trigger gesteuert wird, um die Grundaktivität sicherzustellen.
• Nutzung von State-Machines zur Steuerung der Informationsflüsse zwischen Komponenten.
IV. Implementation der 3D-Netzsprache
Ein zentraler Aspekt des Systems ist die Verarbeitung und Speicherung von Information in einer dreidimensionalen Netzwerkstruktur. Diese "3D-Netzsprache" ermöglicht eine effiziente Informationsverarbeitung, die näher an der Funktionsweise des menschlichen Gehirns liegt als traditionelle Computer-Architekturen.
1. Technische Grundstruktur
- Dreidimensionales Array aus Memristoren und neuromorphen Chips
- Integration optischer Komponenten für schnelle Signalübertragung
- Spezialisierte Ein- und Ausgabeschnittstellen
- Modulare, erweiterbare Architektur
2. Informationscodierung
- Kleinste Einheiten (Voxel) als Informationsträger
- Räumliche Strukturen repräsentieren Konzepte und Bedeutungen
- Dynamische Anpassung der Strukturen durch Lernen
- Hierarchische Organisation der Information
3. Praktische Umsetzung
Hardware:
- Memristor-Arrays für Informationsspeicherung
- Neuromorphe Chips für Verarbeitung
- Optische Verbindungen für schnelle Kommunikation
- Energie-effiziente Sensorik
Software:
- Spezialisierte Treiber für die 3D-Struktur
- Algorithmen für räumliche Informationsverarbeitung
- Optimierte Zugriffsmethoden
- Adaptive Lernverfahren
4. Integration mit anderen Systemkomponenten
- Verbindung zum kausalen Kern für zentrale Verarbeitung
- Kopplung mit dem Abstraktionssystem
- Interaktion mit dem Bewertungssystem
- Steuerung durch das Aktivierungssystem
5. Vorteile dieser Architektur
- Energieeffiziente Informationsverarbeitung
- Natürliche Abstraktion durch räumliche Organisation
- Flexible Anpassung an neue Anforderungen
- Skalierbare Struktur
VI. Konkrete Ansätze, um die Rechenleistung zu optimieren
1. Edge Computing und spezialisierte Hardware
• Spezialisierte Prozessoren: Nutzung von Application-Specific Integrated Circuits (ASICs) oder Field-Programmable Gate Arrays (FPGAs), die speziell für die in deinem Modell beschriebenen Aufgaben
konzipiert sind. Sie bieten hohe Effizienz bei geringerem Energieverbrauch.
• Neuromorphe Chips: Diese Chips sind inspiriert vom menschlichen Gehirn und besonders gut geeignet für parallele Informationsverarbeitung (z. B. von Intel oder IBM entwickelt).
• GPU-Nutzung: Für lernintensive Module könnten effiziente GPUs (Graphical Processing Units) eingesetzt werden, die parallelisierte Prozesse schnell bewältigen.
2. Algorithmische Optimierung
• Abstraktion und Kategorisierung: Durch den gezielten Einsatz des Abstraktionssystems kann der Datenumfang stark reduziert werden. Nur relevante Informationen werden verarbeitet.
o Datenkompression: Einsatz von Algorithmen wie Autoencoders, um Eingabedaten zu reduzieren.
• Präzise Modellgrößen: Vermeidung unnötig großer neuronaler Netzwerke; Knowledge Distillation kann helfen, große Modelle in kleinere, effizientere Modelle umzuwandeln.
• Eventbasierte Verarbeitung: Anstatt kontinuierlich zu rechnen, können Aufgaben eventgesteuert abgearbeitet werden, um Rechenressourcen zu schonen.
3. Energieeffiziente Algorithmen
• Sparsity und Pruning: Neuronale Netzwerke können durch Entfernen weniger relevanter Verbindungen (Pruning) und sparsames Rechnen optimiert werden.
• Quantisierung: Reduzierung der Präzision (z. B. von 32-Bit zu 8-Bit) für weniger Rechenaufwand bei minimalem Genauigkeitsverlust.
• Adaptive Sampling: Daten werden dynamisch mit unterschiedlicher Detailtiefe verarbeitet, abhängig von ihrer Wichtigkeit.
4. Lokale und verteilte Datenverarbeitung
• Hybride Verarbeitung: Kritische Entscheidungen werden lokal im Roboter getroffen, während weniger zeitkritische Aufgaben (z. B. langfristiges Lernen) in einer Cloud oder einem Backend-System
verarbeitet werden.
• Edge Intelligence: Aufbau eines lokalen Cache für häufig genutzte Informationen und Modelle, wodurch die Verarbeitung beschleunigt wird.
5. Leichtgewichtige Software-Frameworks
• Nutzung von effizienten Frameworks wie TensorFlow Lite, PyTorch Mobile oder ONNX für Machine-Learning-Modelle. Diese sind speziell für den Einsatz in mobilen und eingebetteten Systemen
optimiert.
• Implementierung schlanker Betriebssysteme wie ROS 2 (Robot Operating System), die speziell für Robotik-Anwendungen entwickelt wurden und minimale Overhead-Zeiten haben.
6. Integration von Sensorik und Verteilung der Verarbeitung
• Vorverarbeitung in Sensoren: Moderne Sensoren können einfache Verarbeitungsaufgaben direkt übernehmen (z. B. Tiefenmessung in Kameras oder Audioverarbeitung in Mikrofonen).
• Parallele Verarbeitung: Die Aufteilung der Aufgaben zwischen mehreren Prozessoren reduziert die Belastung einzelner Einheiten.
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Stegemann, W. Consciousness – The End of Metaphysics, epubli 2024