Das von dem australischen Philosophen David Chalmers formulierte 'hard problem of consciousness' hat in den letzten Jahrzehnten die Gemüter von Philosophen, Neurowissenschaftlern und Kognitionsforschern gleichermaßen erhitzt. Chalmers argumentiert, dass die wirkliche Herausforderung darin besteht zu erklären, warum und wie wir subjektive, qualitative Erfahrungen (auch bekannt als Qualia) haben. Die zentrale Frage des hard problem lautet: Warum und wie entstehen subjektive, bewusste Erfahrungen aus physikalischen Prozessen im Gehirn?
Diese Frage mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, hat aber weitreichende Implikationen für unser Verständnis von Bewusstsein, Realität und der menschlichen Erfahrung. Sie geht über die bloße Erklärung der Funktionsweise des Gehirns hinaus und zielt auf das Herz dessen, was es bedeutet, ein bewusstes Wesen zu sein.
Ein konkretes Beispiel für dieses Problem ist die Frage: "Warum erleben wir die Farbe Rot als rot?" Hier geht es nicht nur darum, wie unser visuelles System funktioniert, sondern warum wir überhaupt eine subjektive Erfahrung von Rot haben, anstatt diese Information einfach zu verarbeiten, ohne sie bewusst zu erleben.
Im Folgenden werde ich darlegen, dass sowohl die Fragestellung des hard problem als auch die darauf häufig gegebenen Antworten auf zwei, wenn nicht sogar drei entscheidenden Denkfehlern beruhen. Diese Denkfehler sind so grundlegend, dass sie nicht nur das 'hard problem' selbst in Frage stellen, sondern auch weitreichende Auswirkungen auf andere Bereiche der Philosophie und Wissenschaft haben.
Der erste Denkfehler: Die Verwechslung von Beschreibungsebenen
Beginnen wir mit einem stark vereinfachten Beispiel, um den ersten Denkfehler zu veranschaulichen: Stellen Sie sich vor, ein Photonenstrahl trifft auf Ihr Auge. Dieser Lichtreiz wird über den Sehnerv ins Gehirn geleitet und erregt dort eine spezifische Gruppe von Neuronen.
Bis zu diesem Punkt ist noch nichts Immaterielles geschehen. Wir bewegen uns ausschließlich im Bereich der Physik und Physiologie. Man kann diesen Prozess, der die physikalischen und biologischen Grundlagen des Sehens beschreibt, präzise mit den Werkzeugen der Naturwissenschaften erfassen und analysieren.
Interessanterweise kann man denselben Vorgang auch aus einer völlig anderen Perspektive beschreiben, nämlich der der Psychologie. Dort würde die Beschreibung lauten: "Ich sehe etwas Rotes und erlebe diese Wahrnehmung bewusst." Diese psychologische Beschreibung klingt zwar völlig anders als die physiologische, bezieht sich aber auf denselben Vorgang.
Der entscheidende Denkfehler tritt nun auf, wenn wir die Beschreibungsebenen vertauschen oder vermischen. Wenn wir also von der physiologischen Ebene plötzlich zur psychologischen wechseln und zwischen beiden ein Kausalverhältnis konstruieren, das es in Wirklichkeit so nicht geben kann. Wenn wir also behaupten, die Physiologie begründe die Psychologie, oder die erregte Neuronengruppe verursache das bewusste Erleben von Rot.
In Wahrheit handelt es sich nicht um ein Kausalverhältnis, sondern um eine Korrelation zwischen zwei verschiedenen Beschreibungsebenen desselben Phänomens. Indem wir fälschlicherweise ein Kausalverhältnis herstellen, erzeugen wir künstlich die scheinbar unlösbare Frage, wie aus neuronaler Aktivität bewusstes Erleben entstehen kann.
Dieser Fehler ist vergleichbar damit, als würde man auf der Autobahn plötzlich die Fahrbahn wechseln und zum Geisterfahrer werden. Man verlässt den sicheren Bereich einer konsistenten Beschreibungsebene und gerät in einen Bereich, in dem die Regeln und Annahmen der vorherigen Ebene nicht mehr gelten.
Der zweite Denkfehler: Die Verwechslung der Perspektiven
Der zweite fundamentale Denkfehler beruht auf der Verwechslung der Perspektiven, aus denen wir ein Phänomen betrachten. Typischerweise beginnen wir mit einer Beschreibung des Sehvorgangs aus der dritten Person Perspektive - wir beschreiben also, was objektiv beobachtbar ist. Dann wechseln wir plötzlich und oft unbewusst in die erste Person Perspektive, indem wir fragen, warum wir den Prozess des Sehens auf eine bestimmte Weise erleben.
Indem wir diesen Perspektivwechsel vollziehen, stellen wir erneut ein vermeintliches Kausalverhältnis her, diesmal zwischen zwei fundamental verschiedenen 'Beobachtungsperspektiven'. Wir versuchen, die subjektive Erfahrung des Sehens aus der objektiven Beschreibung des Sehvorgangs abzuleiten, was zu weiteren scheinbar unlösbaren Problemen führt.
Dieser Perspektivwechsel ist besonders tückisch, weil er oft unbemerkt geschieht. Er führt zu Fragen wie "Warum fühlt sich Bewusstsein so an, wie es sich anfühlt?", die in ihrer Formulierung bereits die Annahme enthalten, dass es eine objektive Erklärung für subjektive Erfahrungen geben müsse.
Der dritte Denkfehler: Die tautologische Fragestellung
Ein dritter Denkfehler, der zwar subtiler, aber nicht weniger problematisch ist, besteht darin, dass wir Fragen stellen, die in sich selbst tautologisch und daher prinzipiell unbeantwortbar sind. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Frage: "Warum sehe ich die Farbe Rot als rot?"
Diese Frage ist vergleichbar mit der Frage, warum H2O nass ist. Wir definieren zunächst Wasser als nass und behaupten dann, man müsse diese Definition physikalisch erklären. In ähnlicher Weise definieren wir unsere subjektive Erfahrung der Farbe Rot und fordern dann eine Erklärung dafür, warum diese Erfahrung genau so ist, wie wir sie definiert haben.
Solche tautologischen Fragestellungen führen uns in die Irre, weil sie den Anschein erwecken, es gäbe ein tiefes Rätsel zu lösen, wo in Wirklichkeit nur eine zirkuläre Definition vorliegt.
Die Konsequenzen dieser Denkfehler
Die Auswirkungen dieser Denkfehler gehen weit über das 'hard problem of consciousness' hinaus. Sie bilden die Grundlage für eine Vielzahl von Missverständnissen und Scheinproblemen in Philosophie und Wissenschaft.
Zum einen bilden sie die Basis für weite Teile der Esoterik, die von einem 'Geist' spricht, der erst durch eine Sprachverschiebung entsteht und dann immer weiter ausgebaut wird. Ähnliches gilt für Erklärungsansätze, die der Materie zusätzliche, mysteriöse Substanzen zuschreiben wollen, wie etwa 'Information' im Sinne eines 'it from bit'.
Bereits der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein vertrat die Auffassung, dass der größte Teil der philosophischen Probleme auf Sprachverwirrungen beruht. Ich möchte hinzufügen, dass sie ebenso auf unbemerkten Perspektivverschiebungen und der Vermischung von Beschreibungsebenen basieren.
Evolutionsbiologische Erklärung
Mit der evolutionsbiologischen Entstehung von Sensoren und Nerven erhielt die Orientierung von Organismen eine multimodale Qualität gegenüber der bloß chemotaktischen. Die Zentralisierung im Gehirn brachte die Notwendigkeit eines Rückkopplungsmechanismus mit sich, der es ermöglichte, eingehende Reize bewusst wahrzunehmen – Bewusstsein, verstanden als die Fähigkeit, Reize zu spüren. Diese Entwicklung stellt einen entscheidenden Fortschritt dar, da sie Organismen erlaubte, komplexere und flexiblere Verhaltensweisen zu zeigen.
Mit der Differenzierung des Gehirns wurden die erlebten Empfindungen immer abstrakter, was den Organismen erlaubte, sich auf einer höheren Ebene zu orientieren. Diese Form der Abstraktion ist das, was wir als "Gedanken" bezeichnen – interne Modelle der Welt, die es ermöglichen, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und flexibel auf die Umwelt zu reagieren.
Diese evolutionsbiologische Perspektive zeigt, dass Bewusstsein im Wesentlichen eine adaptive Funktion zur Optimierung der Überlebensfähigkeit darstellt. Durch das Bewusstsein konnten Organismen nicht nur reagieren, sondern proaktiv handeln, was in einer zunehmend komplexen und dynamischen Umwelt einen evolutionären Vorteil darstellte. Das Hard Problem des Bewusstseins kann daher als Missverständnis der evolutionären Funktion und Entwicklung des Bewusstseins betrachtet werden. Was wir als subjektive Erfahrung wahrnehmen, ist im Wesentlichen die Evolution eines Mechanismus, der sicherstellt, dass relevante Reize registriert und auf adaptive Weise verarbeitet werden. Denn ohne Bewusstsein, also Denken und Empfinden, hätten Sensoren und Nerven keinerlei Sinn.