Der Universalismus beansprucht nicht nur eine allgemeingültige Wahrheit einer zugrunde liegenden objektiven Realität, sondern proklamiert darauf basierende allgemeine ethische und moralische Werte, wie sie etwa in der Menschenrechtsdeklaration der UNO verankert sind. Wer würde nicht Sätze unterschreiben wie, 'die Würde des Menschen ist unantastbar'?
Universalismus beschreibt in Philosophie, Politik und Gesellschaft verschiedene Ansätze, die auf Universalität und Allgemeingültigkeit zielen. Im Kern geht es darum, dass bestimmte Prinzipien, Werte, Normen oder Rechte für alle Menschen gelten, unabhängig von individuellen Merkmalen wie Herkunft, Kultur, Religion oder Geschlecht.
Der politische Universalismus betont die Universalität der Menschenrechte. Das bedeutet, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder Situation, die gleichen grundlegenden Rechte haben.
Es gibt nur einen Haken. Die mit der französischen Revolution ausgerufenen Menschenrechte sind unmittelbar verknüpft mit einer bestimmten Gesellschaftsform, die wiederum mit einer bestimmten Form des Wirtschaftens verbunden ist, nämlich der kapitalistischen. Die Freiheit des Einzelnen, seine Ware Arbeitskraft auf dem Markt zu tauschen, erfordert geradezu seine individuelle Freiheit. Der Begriff Freiheit ist insofern unmittelbar mit der kapitalistischen Produktionsweise verbunden.
Nun kann man fragen, was daran schlecht sei. Zunächst einmal nichts. Nur sind damit alle anderen Produktionsweisen von vornherein ausgeschlossen, welche nicht auf der Verwertung der Ware
Arbeitskraft gründen.
Die universalistische Idee gilt somit nicht per se für alle Menschen. Ihr diesbezüglicher Anspruch ist also prinzipiell falsch.
Oder anders ausgedrückt, es mag Formen des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenlebens geben, die die Freiheit des Menschen anders definieren, als über die Vereinzelung des Individuums.
Universalismus ist Ausdruck westlicher Moralphilosophie. Der Anspruch, sie solle für alle Menschen gelten, spiegelt jene Denkweise wider, wie sie in Kolonialismus und Neokolonialismus bestand und bis heute fortbesteht.
Der moralische Imperativ wird heute ebenso auf einem Schild vor sich hergetragen, wie seinerzeit die Glaubenssätze der Kirche, um die expansiven Bestrebungen hinsichtlich der Erschließung von Märkten und Ressourcen zu rechtfertigen. Damit wird moralisch abgesegnet, wenn ohne Rücksicht fremde Länder und Kulturen (neo-) kolonialisiert wurden und werden.
Die sogenannten westlichen Werte werden immer dann angeführt, wenn es darum geht, den wirtschaftlichen und politischen Einfluss zu erweitern und die aggressiven Mittel dabei zu rechtfertigen.
Betrachtet man allein die militärischen und und paramilitärischen Interventionen der USA nach 1945, wird deutlich, dass es hier nicht um Moral oder die Verteidigung westlicher Werte geht, sondern ausschließlich um wirtschaftliche Interessen.
Als Alternative zum Universalismus wurde anfang des 20. Jahrhunderts der Kulturrelativismus von Anthropologen wie Bronislaw Malinowski oder Margaret Mead proklamiert.
Er konnte sich gegen die herrschende universalistische Idee nur schwer behaupten. Der Vorwurf, dass er zu Toleranz gegenüber unmenschlichen Praktiken führen kann, war konstruiert, denn der
prinzipielle Respekt vor anderen Kulturen schließt nicht ein, unmenschliche Praktiken zu tolerieren und schließt die Hilfe für davon betroffene Menschen nicht aus.
Inzwischen hat die universalistische Wertediskussion diktatorische Züge angenommen. Je größer das gesellschaftliche und politische globale Konfliktpotential, desto vehementer werden jene Werte eingefordert, ihre Relativierung rigoroser sanktioniert.
Kurios wird es, wenn unter Rückgriff auf diese Werte versucht wird, Dekonstruktion zu betreiben, die Werte nicht infrage gestellt, sondern lediglich erneuert werden sollen. Die Genderdebatte ist ein
prominentes Beispiel dafür, wie Kleingruppen um die Deutungshoheit streiten, der Mainstream aus Angst vor shitstorms nachgibt und sich so eine vom Zufall gesteuerte Wertekonstruktion ergibt, die
abhängig ist von den gerade einflussreichsten Gruppen.
Dabei gründet der Universalismus letztlich auf einer idealistischen Grundannahme, die mit der Aufklärung und vor allem mit der klassischen deutschen Philosophie in die Welt kam. Danach gibt es eine objektive Welt, die unabhängig vom Menschen existiert und das berühmte Kantsche Ding an sich beinhaltet, ob erkennbar oder nicht. Damit wird eine idealisierte Welt geschaffen und mit dem Begriff Erkenntnis der Eindruck erweckt, eine ideale Maschine namens Mensch stände ihr gegenüber und es wäre eine rein quantitative Frage, sie zu entschlüsseln.
Diese Vorstellung schreibt dem Menschen Eigenschaften zu, die er als biologisches Wesen nicht hat und nicht haben kann.
Vielmehr transformieren wir, wie jede Entität, die Welt in eine uns gemäße Modalität, die damit eine subjektive wird. In unserem Fall ist es eine neuronal modale Welt, die wir nicht im transzendental
idealistischen Sinn erkennen, sondern an die wir im Verlauf der Evolution angepasst sind.
Unsere Werte ergeben sich aus unserer Lebensrealität sowie aus unserer Einsicht, friedlich mit anderen Völkern und Kulturen zusammenzuleben.
Die epistemische Relativität erkennt, dass es - heruntergebrochen bis zum Individuum - viele subjektive Realitäten gibt, die respektiert werden müssen. Keine darf bevorzugt werden. Meinungsfreiheit steht somit nicht nur auf dem Papier interessensbezogener Kalküle in Zusammenhang mit je spezifischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern ist auch unabhängig von weltanschaulichen Vorstellungen.
In Deutschland ist man von dieser Art Meinungsfreiheit derzeit meilenweit entfernt. Meinung und Werte sind eingebunden in festgezurrte Ideologien, deren Nichteinhaltung für den Einzelnen
wirtschaftliche und gesellschaftliche Nachteile zur Folge haben kann. Es fühlt sich heute an, als lebten wir in einer Wertediktatur, wobei deren Werthaltigkeit geringer kaum sein kann.
Wenn unsere derzeitige deutsche Außenministerin in die Mongolei reist, um dort ihre feministische Außenpolitik zu verkaufen, dann schäme ich mich für mein Land. Und es ist nur der Gutmütigkeit der
Mongolen nzu verdanken, wenn sie dies nicht als Wertekolonialismus betrachten.
Man muss sich folgende Fragen stellen:
Wie frei fühlt man sich, seine Meinung zu äußern, ohne direkte oder indirekte Sanktionen zu erleben?
Gibt es genug Raum für kontroverse Diskussionen oder sind die Ergebnisse von Diskussionen bereits festgelegt?
Werden bestimmte Werte wichtiger genommen als andere, etwa diejenigen der eigenen Kultur gegenüber anderen Kulturen?
Die Antworten zeigen den Grad der Toleranz einer wirklich demokratischen Gesellschaft.
Werte werden oft genug als Waffen in der ideologischen Kriegsführung eingesetzt, um den Gegner zu desavouieren. Sie sind beliebig verwendbar und prostituieren sich auf diese Weise. Es sind dann leere Hülsen und haben mit den Werten, die über Jahre oder Jahrhunderte in Kulturen entstanden sind, nichts mehr zu tun.
Was sollen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in einem Land bedeuten, in dem eine Person drei Jobs braucht, um nicht zu verhungern, Brüderlichkeit berstenfalls von Almosen lebt und von
Gleichheit keine Rede sein kann, in dem Rassendiskriminierung herrscht und faschistisches Gedankengut verbreitet wird.
Es sind Ideale, denen der reale Boden fehlt und die leicht dahergesagt sind.
Man kann mit ihnen Menschen mundtot machen, sie werden gehandelt, wie jede andere Ware auch.
Betrachtet man die sogenannten westlichen Werte unter diesem Gesichtspunkt, wirken sie nichtssagend.
Da wird Frieden ein Schimpfwort, die, die ihn fordern, verunglimpft.
Der Westen meint, seine Werteinterpretation sei die einzig richtige und versucht sie, allen anderen zu oktroyieren.
Wahre Werte entstehen aus der Kultur einzelner Gesellschaften, sie sind relativ und müssen in einer globalisierten Welt miteinander in Verbindung gebracht werden, indem sie übersetzt werden wie
Sprachen. Universalistische Werte sind Machtmittel zum Zweck.